Festpredigt am Fest des hl. Leonhard

6. Nov. 1942 in Thurmbach, Zell am Ziller

 

AndŠchtige im Herrn!

Zahlreich und von weit her seid ihr heute in diese uralte Kirche hergekommen, um den Heiligen des heutigen Tages, den Schutzpatron dieser Kirche, zu verehren.

Das Fest des hl. Abtes Leonhard  begeht die Kirche heute. Leonhard ist ein Heiliger, dem gerade das glŠubige Landvolk seit jeher gro§e Verehrung und starkes Vertrauen entgegengebracht hat.

Warum wohl? – Weil das katholische Landvolk mit seinem gesunden, glŠubigen Sinn geahnt und erkannt hat, wie gerade dieser Heilige durch sein Leben in vorbildlicher Weise gezeigt hat, wie man dem Herrgott gegenŸber ein Kind, dem Mitmenschen gegenŸber ein Bruder, dem Tier gegenŸber ein Freund sein soll. – Und diese dreifache Gesinnung sollte eben gerade das Landvolk, ob Bauer ob Knecht, ob BŠuerin ob Magd, an sich verwirklichen.

Sehen wir uns also das Leben des hl. Leonhard heute unter dieser RŸcksicht an und erbitten wir uns dann von ihm diese gleiche Gesinnung: NŠmlich die Gesinnung eines Kindes Gott gegenŸber, die Gesinnung eines Bruders den Mitmenschen gegenŸber, die Gesinnung eines Freundes dem Tier gegenŸber.

Der hl. Leonhard hatte die Gesinnung eines Kindes dem Herrgott gegenŸber:

Leonhards reiche, adelige Eltern hatten ihn fŸr den Dienst am Kšnigshof Chlodwigs des Ersten, des Frankenkšnigs bestimmt. Irdische Ehren und einflussreiche €mter standen ihm da in Aussicht. Aber Leonhard befriedigte dieser Dienst nicht. Er wollte nicht einem irdischen Kšnig, sondern dem Kšnig der Kšnige dienen. Der Aufenthalt am kšniglichen Hofe mit all dem derben Treiben und der wŸsten Sinneslust, der RŠnkesucht und Habgier war fŸr ihn nicht das Rechte. Er spŸrte es: Wenn ich wirklich glŸcklich werden will fŸr Zeit und Ewigkeit, dann muss ich ein anderer Mensch werden. Aber wie? Er fand ein en vŠterlichen Berater im hl. Bischof Remigius: Der sagte es ihm und zeigte ihm den rechten Weg: Du musst auf alle irdische Ehre verzichten und demŸtig werden, klein werden wie ein Kind, das sich in Gehorsam und Ergebenheit von der Vaterhand Gottes leiten lŠsst. Du musst Gott gegenŸber ein Kind werden und dich mit kindlicher Demut und kindlichem Vertrauen von Gott und seinem hl. Willen leiten und fŸhren lassen!

Da zog sich Leonhard vom LŠrm der Welt in die Einsamkeit der WŠlder zurŸck, um da in vollkommener Abgeschiedenheit auf Gottes Stimme zu horchen und Gott zu dienen durch ein Leben der Abtštung, der Bu§e und des Gebetes. Nach nichts anderem strebte er mehr. Nur das war jetzt sein Ziel: Ganz Kind zu werden dem Herrgott gegenŸber. Sich ganz von der Vaterhand Gottes leiten zu lassen. Ja, das war die einzig richtige Gesinnung, wenn Leonhard ein anderer, ein Heiliger werden wollte: Ganz klein, ganz bescheiden, ganz demŸtig, ganz ergeben in Gottes FŸhrungen und Schickungen. So wurde Leonhard frei von aller angeordneten AnhŠnglichkeit an die Welt und ihre Lust, wurde frei von aller Leidenschaft und reifte zum Heiligen heran in der Nachfolge dessen, der gesagt hat: wenn ihr nicht werdet wie die Kinder kšnnt ihr nicht in das Himmelreich eingehen.

Das war Leonhard!

Wir wissen nicht viel von seinem Leben in der Einsiedelei, wir wissen nicht viel von seinen Abtštungen und Kasteiungen, von seinem Fasten und Beten, aber das eine wissen wir: Er rang sich zu dieser Kindesgesinnung Gott gegenŸber durch. Er wurde ein Kind vor Gott und wurde dadurch ein Heiliger.

Das ist auch unser Weg, auf dem wir Heilige werden kšnnen: Wenn wir Kinder werden dem Herrgott gegenŸber! Wenn wir in kindlicher Demut, in kindlichem Gehorsam Gottes heiligen Willen erfŸllen, wie er sich uns offenbart in seinen Geboten; und wenn wir in kindlicher Ergebung in Gottes FŸhrung in Freud und Leid, in frohen Stunden und in harten SchicksalsschlŠgen von seiner Vaterhand uns leiten lassen in dem kindlichen Vertrauen: Alles, was Ÿber uns kommt, kommt aus der Vaterhand Gottes und ist so fŸr uns das beste! Kind sein vor Gott! Lernen wir es vom Heiligen des heutigen Tages und erbitten wir uns von ihm diese Gesinnung.

Und als Leonhard so weit war und sich zu dieser restlosen Hingabe an Gott in der Gesinnung eines Kindes seinem Vater gegenŸber durchgerungen hatte, da fŸhrte ihn Gott wieder heraus aus der Einsamkeit und zeigte ihm, dass er noch eine andere Aufgabe habe. Des Christen Aufgabe soll sich ja nicht darauf beschrŠnken, in vollstŠndiger Abgeschiedenheit Gott zu dienen und Gott zu lieben. Er soll auch ein Herz, ein Auge haben fŸr den Mitmenschen und seine Not.

Denn der Herr, der in seinem Dienst die Liebe verlangte, verlangte sie doppelt, die Gottesliebe und die NŠchstenliebe. Das ist das grš§te und erste Gebot: Du sollst Gott dienen Herrn lieben aus deinem ganzen Herzen, aus deiner ganzen Seele, aus deinem ganzen GemŸt. Das andere Gebot aber ist diesem gleich: Du sollst den NŠchsten lieben wie dich selbst!Ò  So erkannte es der hl. Leonhard:

Will ich wirklich ganz Gott dienen und Gott lieben, muss ich auch meine Mitmenschen lieben und ihnen dienen. Er sollte nicht blo§ Kind sein Gott gegenŸber, er sollte auch Bruder sein den Mitmenschen gegenŸber: Leonhard verlie§ fŸr eine Zeit lang seine Einsiedelei und begann den Leuten der Umgegend das Wort Gottes zu kŸnden und sie herauszufŸhren aus dem SŸndensumpf und der Nacht des Unglaubens. Manche von den Neubekehrten wŸnschten dann die Lebensweise des hl. Leonhard nachzuahmen und gingen mit ihm in seine Einsiedelei. So entstand nach und nach ein Kloster mit einer schšnen, der Gottesmutter geweihten Kirche im Walde von Noblac in der NŠhe der Stadt Limoges im Frankenland. Viele Pilger kamen bald von nah und fern nach Noblac, um im Gotteshaus zu beten und sich beim hl. Abt Leonhard Rat und Trost zu holen in allen Anliegen und Sorgen und Schwierigkeiten. Und Leonhard half, wo er nur helfen konnte. Er wurde wirklich ein Bruder allen seinen Hilfe suchenden, Not leidenden Mitmenschen. Ja, Gott verlieh ihm sogar die Wunderkraft, damit er seinen Mitmenschen noch mehr helfen und noch mehr Liebe schenken kšnne. Seine ganz besondere Liebe schenkte Leonhard den Gefangenen. Er scheute nicht die weitesten Wege, um Eingekerkerte aufzusuchen, ihnen Vertrauen zuzusprechen und ihre verstockten Herzen zu erweichen. Keine grš§ere Freude gab es fŸr ihn, als wenn es ihm gelang, beim Kšnig die Befreiung eines Gefangenen zu erreichen. Mit brŸderlicher Liebe nahm er dann die Gefangenen bei sich auf und fŸhrte sie durch Rat und Tat wieder auf den rechten Weg eines gesitteten Lebens.

So befreite er die Gefangenen nicht blo§ von den Ketten des Leibes, sondern auch von den Ketten der Seele, von den Fesseln der SŸnde und Leidenschaft. Darum wird der hl. Leonhard gerne mit einer zerbrochenen Kette in der Hand dargestellt.

Das war Leonhard: Nachdem er ein Kind geworden war dem Herrgott gegenŸber, wurde er notwendig auch ein Bruder den Mitmenschen gegenŸber. Denn wer Gott liebt und seinen Bruder hasst, ist ein LŸgner!

Aber aus dieser Liebe zu Gott und zu den NŠchsten erwuchs bei Leonhard unwillkŸrlich auch Liebe zu jenen Geschšpfen Gottes, an denen der  Herrgott nach dem Menschen am meisten seine Schšpferkraft und Weisheit offenbart. Leonhard hatte den Tieren gegenŸber die Gesinnung eines Freundes!

In den alten Lebensbeschreibungen des hl. Leonhard wird es immer wieder hervorgehoben, dass sein Herz nicht blo§ fŸr die Mitmenschen schlug, sondern auch fŸr die unvernŸnftigen Tiere. St. Leonhard dachte da nicht, wie so viele Menschen: Es ist ja doch nur ein Vieh, also kann man es prŸgeln und schlagen wie ein lebloses StŸck Holz. Leonhard war auch hier ein denkender Mensch: Er wusste es: Das Tier fŸhlt wie der Mensch den Schmerz, empfindet ebenso Hunger und KŠlte und Krankheit: Ja, es ist oft hilfloser als der Mensch, ist auf rechte Pflege und Nahrungszufuhr von Seiten der vernŸnftigen Menschen angewiesen. Und aus diesem Wohlwollen gegen das Vieh heraus, ermahnte der hl. Leonhard die Hirten und Bauern, die ihn in seiner Einsiedelei aufsuchten, wie sie ihr Vieh behandeln und pflegen sollten, wie auch das Tier kein Objekt unbeschrŠnkter Ausbeutung, sondern christlicher Gerechtigkeit ist, in der man auch dem Vieh gerechten Lohn fŸr seine Arbeitsleistung, nŠmlich artgemŠ§e Nahrung und Pflege zukommen lŠsst.

Er lehrte die Hirten und Bauern vor allem, wie mit rohem Drauflosschlagen und Fluchen und QuŠlen auch beim Vieh gar nichts ausgerichtet ist. Und wenn sich dann die Hirten und Bauern bei Viehkrankheiten und Seuchen beim hl. Leonhard Rat holten, weil sie wussten, dass er auch fŸr das liebe Vieh wohlwollendes VerstŠndnis hat, da half er wirklich mit Rat und Tat. Und so mŠchtig war oft seine Hilfe und sehr oft so wundertŠtig, dass das glŠubige Landvolk bis auf den heutigen Tag den hl. Leonhard als besonderen Schutzpatron der Haustiere anruft.

Wie er eben in seinem Verhalten Gott gegenŸber ein Kind, und in seinem verhalten den Mitmenschen gegenŸber ein Bruder war, so war er dem Vieh gegenŸber ein Freund.